3:30? Na ja, fast!

Drei Minuten und dreißig Sekunden. Diese für „Otto Normalkomponist“ quasi unüberwindliche Schallmauer steht in Stein gemeißelt für alle Produktionen, die wenigstens den Hauch einer Chance haben wollen, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gespielt zu werden. Also heißt es für uns Künstler, möglichst innerhalb von 210 Sekunden zur Sache zu kommen, oder dein Song wird gnadenlos ausgeblendet. Wenn er denn überhaupt erst auf einer Playlist landet. Aber nicht mit mir, liebe Leute. Ich muss nämlich nicht mehr unbedingt auf irgendeine Playlist. Und so habe ich in den vergangenen Wochen einen Titel verbrochen, der diese Schallmauer, nun, sagen wir mal „ein klein wenig“ hinter sich lässt.

Radio Version, 7“ Mix, Single edit – Eine sendefähige Version eines Songs hat viele Namen. Und wenn es eine solche Version gibt, kann man vor allem von einem ausgehen: Der vom Songschreiber erdachte Song, also die von ihm erbrachte künstlerische Leistung, war nicht massenkompatibel genug. Oder schlicht zu lang. Und dann wird ordentlich in die Trickkiste gegriffen. Da wird ausgeblendet, am Tempo geschraubt, eine Bridge ist plötzlich nur noch halb so lang wie vorher. Oder was ich am schlimmsten finde: Es werden ganze Songteile schlicht weggeschnitten. Da fehlt dann auf einmal eine ganze Strophe, oder ein Refrain verliert seine letzten Zeilen. So zum Beispiel geschehen bei meinem einzigen Top 100 Hit „Du hast gewärmt wie alter Whisky“. Blöd nur, wenn durch solche Aktionen die Message des Songs einfach nicht mehr aufgehen will. Am Ende kommt dabei dann nicht selten etwas heraus, womit man sich als Künstler nur noch schwer identifizieren kann.

Man stelle sich nur mal folgende Situation vor: Ein Maler malt ein Bild. Anschließend wird von diesem Bild oben und an der Seite ein Streifen abgeschnitten, und das Ganze nur aus einem einzigen Grund: Damit das Bild in irgendeine gottverschissene Wohnungsecke passt. Das tut der Künstlerseele weh, mein Wort darauf. Schon klar, man kann in der heutigen Zeit – Generation Facebook sei Dank – natürlich niemandem mehr zumuten, seine Aufmerksamkeit für eine längere Zeitspanne auf eine bestimmte Sache zu fokussieren. Eine Oper beispielsweise ist daher für ebendiese Generation vermutlich völlig überfordernd. Und so kommen sie dann durch den Äther, jede Menge kleiner 3:30 Huren, zum größten Teil keine künstlerische Leistung mehr, sondern schlicht zu einem einzigen Zweck erfunden: Zum Geldverdienen.

Und überhaupt: Warum eigentlich genau 210 Sekunden? Warum nicht Vier Minuten? Oder Sieben? Auf diese alles entscheidende Frage konnte ich nirgendwo eine befriedigende Antwort finden. Die einen behaupten, es läge an  der maximalen Spiellänge einer Single, und zwar aus der Zeit, in der es noch ausschließlich Vinyltonträger gab. Andere wiederum – vermutlich vor allem verantwortliche Redakteure – sagen folgendes: „Wenn du nicht nach spätestens 30 Sekunden einen brauchbaren Refrain ablieferst, schalten die Hörer um!“ Logisch, das kostet selbstredend Werbeeinnahmen. Ist ja auch irgendwie verständlich. Irgendwie …

Künstlerisch gesehen ist dieses zeitliche Korsett natürlich alles andere als förderlich. Es sind fast immer die kleinen Einzelteile eines Songs, in denen ganz besonders viel Herzblut steckt. Da hat man beispielsweise eine Idee für eine Bridge. Und die ist dann so geil, dass man eben mit vier Takten nicht auskommt, da müssen schon acht Takte her. Und das Intro erst … Und ehe man sich versieht, wird aus einem Song eine epische Ballade. Und der Künstler wundert sich, warum er später 7:34 auf der Uhr stehen hat.

So geschehen mit meiner letzten Recording-Aktion. Der Titel „Feuerpfeile“ ist einmal mehr ein Song, der viele Jahre in meiner Schublade schlummerte. 30 Jahre, um genau zu sein. Und dann passiert es plötzlich: Eine Idee entsteht im Kopf und alles fügt sich auf wundersame Weise zu einem Gesamtbild zusammen. Und ich bin, eingedenk meiner eher bescheidenen musikalischen Möglichkeiten, absolut zufrieden mit dem Ergebnis.

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Komponist: André R. Kohl
Texter: André R. Kohl

Ein Blick von dir, ich fang‘ zu zittern an
steh‘ wie unter Strom, bin elektrisiert
Denn dieser Blick, der dich verraten kann
traf mitten in’s Herz, ich bin total irritiert
Ein leises Lächeln trifft  genau sein Ziel
legt Brände unter meine Haut
und dazu dieses komische Gefühl
seltsam neu und fremd und doch irgendwie vertraut

Refrain:
Du schießt Feuerpfeile in mein Herz
ich brenne und spür‘ doch keinen Schmerz
du hast den Bunker gesprengt, den Zaun überrannt
doch so steh‘ ich gerne mit dem Rücken an der Wand

Brandstiftung wenn ich nur in deine Augen seh‘
und ein Gefühl, das ich fast selber nicht versteh‘
ich seh‘ schon gar nicht mehr klar, du musst der Feuerteufel sein
doch ich lass‘ mich gerne
auf deine Brände ein

Ein Kuss von Dir, mein Kopf der explodiert,
und mein Verstand schlägt mal wieder Alarm.
Doch ganz egal, was immer auch passiert,
ich halt dich fest, ganz fest in meinem Arm.
Und dann dein Lächeln, so wie ein Signal,
das mir die Weiterfahrt erlaubt.
Ich glaub‘, ich brenne, brenne wieder mal,
hast du mir nicht längst schon den Verstand geraubt?

Refrain:
Du schießt Feuerpfeile in mein Herz,
ich brenne und spür‘ doch keinen Schmerz…

Ich wollte nicht fallen und bin doch schon dabei,
ich fühl‘ mich gefangen und doch irgendwie frei,
hey, halt‘ mich fest, lass‘ mich jetzt bloß; nicht geh’n,
ich kann mich doch selber fast nicht mehr versteh’n.

Refrain:
Du schießt Feuerpfeile in mein Herz,
ich brenne und spür‘ doch keinen Schmerz…

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