Nix für Feiglinge

Irgendwo habe ich einmal einen ganz interessanten Satz gelesen. Er lautete in etwa: „Mit 30 ist deine Jugend definitiv vorbei. Eigentlich ist deine Jugend schon mit 20 vorbei, aber mit 30 hörst du endgültig auf, dir etwas vorzumachen“. Leider ist mir nicht mehr geläufig, von wem dieser Satz stammte, ich mochte jedenfalls immer den feinen Zynismus, der in diesen paar Worten steckt. Aber die Jahre gingen ins Land – und je älter ich werde, desto klarer wird mir: Nix ist mit aufhören, sich etwas vor zu machen. Zack, wird man 50, ohne es eigentlich richtig bemerkt zu haben. Und man kann noch ganz genau fühlen, wie es war, damals. Als man noch jung war. Und dumm. Aber immerhin: jung!

„Altwerden ist nichts für Feiglinge“, so treffend formulierte es einmal der unvergessene Schauspieler und Showmaster Joachim „Blacky“ Fuchsberger. Dem kann ich nur uneingeschränkt zustimmen. Entweder verklärt sich die eigene Erinnerung ins unendliche, oder es war früher wirklich alles viel schöner. Nächtelang durchfeiern und von einer Hose in die nächste springen – kein Problem, wenn man 16, 17 Jahre alt ist. Und heute? Heute werde ich schon unleidig, wenn ich nach der Arbeit kein Nickerchen auf dem Sofa machen konnte. Früher begann eine Party zu einer Zeit, zu der sie heute für mich endet. Und nach einer durchzechten Nacht wusch man sich damals einfach den Schlaf aus den Augen und tat, als sei nichts gewesen. Heute dagegen bemerke ich ganz deutlich, wie mir nach einer solchen Nacht mein Körper leise zuflüstert: Mach das nie, nie wieder!“ Und? Höre ich darauf? Natürlich nicht, denn ich bin ja noch jung. Mehr oder weniger. Oder wenigstens noch ein bisschen? Jedenfalls bin ich noch jung genug, um ein Smartphone bedienen zu können. Und alt genug, um mich an Zeiten ohne selbiges zu erinnern.

Im Grunde gefällt mir ja, was ich da so im Spiegel sehe. Gut, ich bin deutlich fetter als damals, aber wenigstens habe ich noch volles Haar. Und wenn ich mich nicht unbedingt ins Profil davor stelle, geht’s eigentlich. Erst recht mit Leopardenhemd. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, ist nicht zu übersehen, wie sehr der Zahn der Zeit an mir herumgenagt hat. Insbesondere die sensorischen Fähigkeiten sind dabei wohl angenagt worden. Während meine schwindende Sehkraft mittlerweile mitunter zu einem echten Problem wird – SMS lesen ohne Brille geht beispielsweise absolut nicht mehr, soviel zum Thema Smartphonebedienung – ist das nachlassende Hörvermögen eigentlich ganz angenehm. Mein Freund  Hans Werner kann seinen Verstärker ruhig auf 11 stellen, das schockt mich nicht mehr. Und insgeheim muss ich immer in mich hineingrinsen, wenn mein Nachbar seinen Fernseher anscheinend auf die gleiche Lautstärke hochfährt. Schlechtes Gehör ist gleich selektives Gehör, eine Tatsache, die mitunter auch nicht zu verachten ist. Ein einfaches „Hä?“ genügt, nicht selten gefolgt von einem „Ach vergiss es“ des Gegenübers. Ganz praktisch.

Ein echtes Problem allerdings wird ganz langsam meine Schusseligkeit. Oft vergesse ich alltägliche Dinge wie meine Schlüssel oder wo ich die verdammten Kippen hingelegt habe. In meiner Wohnung finden sich daher an den unmöglichsten Stellen halbleere Zigarettenschachteln. Und alle paar Wochen packe ich die dann zusammen und spare mir so mindestens einmal den Weg zur Tankstelle, um Nachschub zu besorgen. Aber mehr Wege spare ich mir ansonsten nicht, ganz im Gegenteil. Ich bin doch tatsächlich erst kürzlich noch an meiner Autobahnabfahrt vorbeigedüst, nur weil die das Hinweisschild an der Abfahrt geändert hatten. Daraufhin habe ich natürlich erst mal nach „Beginnende Demenz“ gegoogelt, was die Sache aber auch nicht unbedingt leichter machte. Denn laut Google bin ich entweder akut an Alzheimer erkrankt, oder aber hochgradig depressiv. Man weiß eben nichts genaues. Ich denke, wir können uns hier vielleicht auf „gutartige Altersvergesslichkeit“ einigen. Vielleicht mit einem Schuss von „großartigem Altersschwachsinn“ 😆

Im Jahr 2015 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes in Deutschland statistisch gesehen 78,4 Jahre. Prognostiziert wird, dass diese Zahl bis zum Jahr 2030 auf 80,6 Jahre steigen wird. Rechnen wir von dieser Zahl einmal meinen ungesunden Lebenswandel und entsprechende Risikofaktoren herunter, so bleiben mir hoffentlich noch mindestens 20 weitere Jahre, um mich selbst zu verwirklichen. Statistisch gesehen natürlich, denn mein Vater starb bereits mit 55 Jahren. Und mich selbst verwirklichen, mir selber gut tun, genau das werde ich verdammt noch einmal machen. Ungeachtet aller Konsequenzen. Denn 50 Jahre sind vergangen wie ein Wimpernschlag, und ich gedenke, die mir verbleibenden Jahre zu den besten meines Lebens zu machen. Egal, was dies kosten wird – selbstverständlich metaphorisch gesprochen. Und egal, was andere darüber auch immer denken mögen. Ganz so wie damals. Als man noch jung war. Und dumm. Nur eben in älter. Und nicht wirklich viel klüger 😎

Das beste an meinem Geburtstag ist vor allem eine Tatsache: Wer mit 50 noch nicht erwachsen geworden ist, braucht es auch nicht mehr. Und damit ich das nicht vergesse (ihr wisst ja, meine Demenz), habe ich ausnahmsweise einmal meine Geburtstagsglückwünsche vorweggenommen und mir selbst einen entspannten kleinen Song gebastelt. Gleichzeitig kann ich damit neben dem halben Jahrhundert Leben auch noch ein weiteres Jubiläum feiern, wenngleich auch mit deutlich weniger Tragweite: Dieser kleine Geburtstagstitel ist der 30. Song, den ich innerhalb dieses Blogs veröffentlicht habe. Nicht schlecht für einen Amateur, möchte man meinen …

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Komponist: André R. Kohl
Texter: André R. Kohl

Auf einmal steht da die 50
dabei ist es doch noch gar nicht lang her
da war’n die Haare noch lang
und keine Nacht war je lang genug

Auf einmal steht da die 50
ganz plötzlich wirst du wach und wunderst dich sehr
du bist zwar älter geworden
aber ganz bestimmt nicht unbedingt klug

Du fühlst dich schon alt
doch du bist es noch nicht
irgendwie fällt einfach alles so schwer
am allerschwersten fällt wohl
sich selber einzugesteh’n
das man am liebsten wieder sechzehn Jahre wär‘

Auf einmal steht da die 50
und du weißt ganz genau woran es dir fehlt
doch wie schnell die 50 Jahre vergeh’n
dass hat dir niemand erzählt

– SOLO –

Auf einmal steht da die 50
und du merkst es, ob du willst oder nicht
auch wenn du tief in dir drin
den Rebellen von damals noch fühlst

Auf einmal steht da die 50
und du bist froh, wenn dich der Hafer noch sticht
wenn du noch merkst das du lebst
auch wenn ganz selten das passiert was du willst

Du weißt was du kannst
doch du tust es dann nicht
die Gewohnheit wird ganz langsam dein Freund
nicht ganz erwachsen geworden
nicht alles richtig gemacht
ist ja jetzt auch wohl nicht mehr nötig wie es scheint

Auf einmal steht da die 50
aber eigentlich ist das ganz egal
denn am Ende ist doch
die 50 auch nur eine weitere Zahl

 

Von Beileidsbekundungen angesichts meiner zusehenden Vergreisung bitte ich allerdings höflichst abzusehen. Schon mal vielen Dank im Voraus 😎

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