Sich die Hörner abstoßen

Die meisten meiner Lieder entstanden immer dann, wenn es mir nicht besonders gut ging. Diese Tatsache teile ich vermutlich mit vielen anderen kreativ tätigen Menschen. Ein Problem war das allerdings nie, vielmehr diente mir das Schreiben von Songs schon immer irgendwie zur Selbsttherapie. Wenn ich in solchen Situationen einen Song schrieb, zwang mich dies immer zu besonders zielgerichtetem Nachdenken. Und siehe da, plötzlich erschien mir manches mal eine Sache danach in einem ganz anderen Licht. Das es aber auch ganz anders gehen kann, zeigt einmal mehr eindrucksvoll das vergangene Wochenende, denn mir ist schon wieder auf ganz wundersame Weise ein neuer Song zugeflogen.

Roger Cicero
Der unvergleichliche Roger Cicero

Vor einigen Jahren besuchte ich einmal ein Livekonzert mit dem unglaublich guten Roger Cicero. Begleitet von einer Big-Band, deren musikalische Bandbreite und Qualität schier unglaublich war, gelang es Roger scheinbar mühelos, sich trotz der fetten Bläsersätze perfekt mit seinem Gesang einzubringen. Dazu noch intelligente deutsche Texte, Musikerherz, was willst du mehr? Obwohl ich das Cicero-Album „Männersachen“ schon im Vorfeld des Konzerts rauf und runter gehört habe, kann man eines über diesen Abend sagen: Meine Begeisterung für moderne Swingmusik wurde genau auf diesem Konzert geboren. Aber eines war ebenfalls im selben Augenblick klar: In diese musikalischen Höhen wirst du niemals kommen, dazu ist dein eigener musikalischer Horizont zu begrenzt. Oder um die Sache auf den Punkt zu bringen: Dazu bist du zu schlecht.

Dennoch habe ich mich immer mal wieder an einem eigenen Stück dieser Musikrichtung versucht. Herausgerkommen ist dabei aber nichts, was man hier vorspielen könnte. Oder irgendwo. Mittlerweile habe ich, dank einer herzensguten Lehrerin mit einer Engelsgeduld, zwar die ersten zaghaften Gehversuche auf dem Saxophon gemacht, die Welt der Noten, vor allem aber die Umsetzung von dem, was da notiert ist, will mir immer noch nicht in den Kopf. Ob ich nun Noten lese, oder aber chinesische Schriftzeichen – Der Effekt ist der gleiche. Es will sich einfach kein konkretes Bild in meinem alten Gehirn abzeichnen. Dies scheint mir das Los des Autodidakten zu sein. Oder ich bin schon zu alt für das Erlernen derlei komplexer Dinge. Und natürlich habe ich auch schon mal versucht, ordentliche Bläser-Sounds auf dem Keyboard hinzubekommen, aber das ist auch immer so eine Sache. Es geht eben nichts über live gespielte Bläser.

Und genau hier kam mir der Zufall zur Hilfe. Ich konnte eine CD erwerben, auf der live gespielte Bläser-Samples zu hören waren, also dachte ich mir: Was soll’s, versuchen wir es noch einmal. Kaum zu glauben, schon nach etwa einer Stunde hatte ich einen ersten Entwurf für ein neues Stück fertig, die kreativen Säfte flossen wie verrückt. Einige erste Zeilen Text waren auch schnell geschrieben, hierbei kam mir meine Übung im kreativen Schreiben einmal mehr sehr gelegen, heißen Dank, Frau Müller-Ziethoff (Anmerkung des Autoren: Meine geliebt-gehasste Deutschlehrerin Ulrike Müller-Ziethoff, die anscheinend schon damals wusste, was einmal aus mir werden sollte). Entstanden ist am Ende der Titel „Viel zu lange her“, der ausnahmsweise keinerlei Bezug zu tatsächlichen Ereignissen in meinem Leben hat. Einfach nur deshalb, weil das Schreiben von Songs Spaß macht. Und daher nun ohne weitere Umschweife zum Song.

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Komponist: André R. Kohl
Texter: André R. Kohl

Ich kram‘ in alten Fotos
das mach ich oft in letzter Zeit
Wir war’n ein schönes Paar, haben alle gesagt
es hat nicht lang‘ gehalten
wir war’n wohl beide nicht soweit
und was du wirklich willst, hab‘ ich dich nie gefragt
Ich würd‘ gern wissen, wo du jetzt bist

Denn du
du brennst so lange nach
und dein Platz an meiner Seite ist immer noch leer
Du
du hältst mich lange wach
doch mit jedem neuen Tag fällt’s mir nicht mehr so schwer
du bist schon viel zu lang‘ her
viel zu lange her

In all den ganzen Jahren
war keine jemals so wie du
doch scheinbar hab‘ ich das damals anders geseh’n
Es hat zwar ziemlich lang gedauert
doch heute geb‘ ich offen zu
Ich war einfach viel zu Jung um dich ganz zu versteh’n
Ich würd‘ gern wissen, wie’s dir so geht

Denn du
du brennst so lange nach
und erst heute fällt mir auf, dass ich gern bei dir wär‘
du hältst mich lange wach
und ganz plötzlich wird mir klar, ich vermisse dich sehr
doch du bist viel zu lang‘ her

Da steht die Nummer auf deinem Foto
Scheißegal, ich ruf‘ dich jetzt an

Denn du
du brennst so lange nach
Und ich hab‘ doch echt geglaubt, ich vermiss‘ dich nicht mehr
Du
du hältst mich lange wach
und was wirklich wichtig ist, merkt man erst hinterher
du bist schon viel zu lang‘ her
viel zu lange her
viel zu lange her
viel zu lange her

 

Kleiner Gag am Rande: Ursprünglich sollte es gar kein positiver Song werden. Ich bin halt geübt im Wegschreiben von kaputten Beziehungen, da geschehen einige Sachen einfach automatisch. Aber im Laufe des Songs habe ich dann doch noch die Kurve gekriegt 😀 Und wer sich jetzt fragt, warum dieser Beitrag so einen merkwürdigen Titel hat, dem sei erklärt: Wir Mucker, zumindest solche halbwissenden wie ich, nennen alle Blechblasinstrumente schlicht Hörner. Auch wenn sie, wie im Falle eines Saxophons, eigentlich Holzblasinstrumente sind. *klugscheißmodus aus*

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