Geschrieben habe ich eigentlich schon immer. Oder sagen wir mal in etwa seit ich so zehn, elf Jahre alt war. Die ganze Sache fing auch recht harmlos an, nämlich mit Teestunden. Die waren damals große Mode, man traf sich reihum mit und bei Schulkameraden und trank frisch aufgebrühten Tee. Nicht etwa das Zeugs aus Beuteln, es mußte da schon etwas besonderes sein. Mein Favorit war übrigens Vanille. Okay, ich gebe zu: Nicht alle Jungs meines Alters waren so. Ich schon. Und alle anderen hielten mich für schwul. Aber ich erinnere mich noch immer gern an die Teestunden mit meinen Freundinnen, allen voran meiner besten Freundin Meike. Stundenlang saßen wir im Schneidersitz auf dem Boden, die obligatorische Kanne Tee auf dem Stövchen zwischen uns. Und gegenseitig trugen wir uns unsere selbst verfassten kleinen Gedichte vor, die wir fein säuberlich in ein schwarzes Buch mit roten Ecken geschrieben hatten. Nun gut, Meikes Buch war zumindest ordentlich, meines eher ähm kreativ. Doch das war eigentlich alles nur die Vorgeschichte, denn eines Tages sollte ich eine Kur antreten, die mein Leben völlig veränderte.
Es war das Jahr 1980. Ich war, wie schon erwähnt, eher nicht der maskuline Typ. Noch dazu war ich wirklich sehr schlank. Nein, nicht schlank, sondern viel zu dünn. Also beschloss der Kinderarzt, mich zu einer sagen wir mal „Aufpäppel-Auszeit“ in ein Kinderkurheim in das wunderschöne Oberstdorf zu schicken. Nun war es aber nicht so, dass dort jede Menge zu dünne junge Menschen herumliefen, sondern eben auch das genaue Gegenteil, nämlich die pummeligen, mopsigen, rundlichen Typen. Weiß der Schinder, was sich der Betreiber dieses Kurheims dabei dachte. Aber wir schmalbrüstigen waren in der Minderheit. Und man mochte uns eher nicht, denn während wir zu den Mahlzeiten wahre Kalorienbomben serviert bekamen, war bei der weitaus größeren Gruppe Schmalhans Küchenmeister. Reibereien waren also vorprogrammiert. Und die Schokolade verstecktest du besser gut, denn sonst kamen die Mäuse und fraßen sie einfach auf. Vermutlich ziemlich dicke Mäuse.
Eine Ausnahme war jedoch Henry. Viel weiß ich über diesen wohlbeleibten jungen Mann heute nicht mehr. Sein Nachname fing mit G an, und er selber nannte sich stets nur „Das Gesicht“. Spooky. Aber Henry „Das Gesicht“ G. hatte seine Gitarre dabei. Und was noch viel wichtiger war: Er ließ sich dazu herab, mich auf ihr spielen zu lassen, mehr noch, er brachte mir die ersten wenigen Griffe bei. Es klang grausam. Es klang wundervoll. Ich spielte Gitarre. In diesen sechs Wochen, genau so lange dauerte die Kur, wurde ich vom gelegentlichen Gedichteschreiber zum Musiker. Bei nächster Gelegenheit wünschte ich mir von meinen Großeltern eine Gitarre und bekam diese auch. Und aus den wenigen Griffen, die Henry mir beibrachte, entstanden in Null Komma Nix die ersten Songs. Und was war das für ein Unterschied. Während bei den Gedichten es kaum möglich war, dem Leser das Gefühl zu vermitteln, welches man beim Schreiben derselben hatte, gelang dies bei Liedern auf geradezu wundersame Weise. Ich war wachgeküst. Und ich hatte mein Medium gefunden.
Natürlich hatte ich damals weder im Schreiben noch im Komponieren viel drauf. Woher auch, mir fehlte in beidem natürlich die Übung. Das sollte sich aber im Verlaufe meines Lebens gottseidank noch deutlich ändern. Aber meine ersten Schritte waren sagen wir einmal eher suboptimal 😉 Am vergangenen Wochenende habe ich in einem meiner Ordner einen solchen alten Song aufgestöbert, der tatsächlich aus dem Jahr 1981 stammt. Keine Ahnung was da genau passierte, aber nachdem dieser Song unglaubliche 34 Jahre in der Dunkelheit lag, musste ich ihm nur ein wenig Liebe angedeihen lassen. Ter Text ist natürlich nach wie vor eher flach. Aber mein Gott, ich war vierzehn Jahre alt. Was wusste ich schon über Discos. Oder Frauen. Oder gar Liebe. Das Ergebnis hat aber trotzdem irgendwie seinen Reiz, deswegen möchte ich euch dieses auch nicht länger vorenthalten.
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Komponist: André R. Kohl
Texter: André R. Kohl
Ich dachte, ich lieb‘ dich
doch ich sah nur dein Gesichtjetzt ist mir klar, es hat keinen Sinn
die Risse deiner Seele
beachtete ich nicht
ich frag‘ mich, warum ich schwach geworden bin
Damals die Disco
ich weiß noch genau
unsere ersten paar Worte
alles was ich dir gab
ich war wie geblendet
du warst nicht die Frau
für die ich dich immer gehalten hab‘
Refrain:
Komm‘ mir bloß nicht zu nah
ich will gar nichts mehr von dir
streich‘ mir nicht über’s Haar
und geh‘ da vorn durch die Tür
nimm die Koffer gleich mit
denn es hat keinen Zweck
sich nur weiter zu quälen
ich will raus aus dem Dreck
Es hat lange gebraucht
mir selbst zu erklär’n
das eigentlich alles nur Lüge war
es hat keinen Sinn
sich dagegen zu wehr’n
und eigentlich war es von vornherein klar
Was war mit mir los
irgendwie war ich blind
und ich hab‘ nicht erkannt
das du Gift für mich bist
ich war wie geblendet
war dumm wie ein Kind
das in seinen Träumen gefangen ist
Refrain:
Komm‘ mir bloß nicht zu nah
ich will gar nichts mehr von dir
streich‘ mir nicht über’s Haar
und geh‘ da vorn durch die Tür
nimm die Koffer gleich mit
denn es hat keinen Zweck
sich nur weiter zu quälen
ich will raus aus dem Dreck
Ich hätte es eigentlich wissen müssen
warum hast du mir immer nur Grenzen gesetzt
aber irgendwie hab‘ ich ein schlechtes Gewissen
vielleicht hab‘ ich dich irgendwie doch verletzt
Refrain:
Und darum werd‘ ich jetzt geh’n
und ich dreh‘ mich nicht um
vielleicht wirst du versteh’n
doch bitte frag‘ nicht warum
mich hält nichts mehr bei dir
ich hab‘ alles versucht
doch es liegt nicht an mir
mir bleibt nur noch die Flucht
P.S.: Ich weiß auch heute noch nicht viel über Discos. Oder Frauen. Oder gar Liebe. Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – sind in den folgenden Jahren noch jede Menge weitere Songs entstanden. Keine Angst also, der Stoff für neue Blogbeiträge geht mir also noch lange nicht aus.