„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, so steht es schon im ersten Buch Mose. Für Musiker gilt dies natürlich besonders. Und für Musiker wie mich … Meine intensivste musikalische Bindung hatte ich mit einem Herrn namens Marco Kloss, heute gefeierter Schlagersänger und gefragter Produzent. Allerdings war dieser zur Zeit unseres ersten Treffens wohl eher noch ein Teenager. Aber ein verdammt talentierter.
Es muss so Ende der 80er Jahre gewesen sein, als dieses Kennenlernen stattfand. Ich selbst war damals ebenfalls Schlagerhansel, hatte ich doch kurz zuvor meine ersten Singles veröffentlicht und einen veritablen Plattenvertrag unterschrieben. Um jedoch der Wahrheit die Ehre zu geben, war ich alles andere als erfolgreich. In meiner Heimatstadt hatte ich es aber, vermutlich aufgrund einiger Fernsehrauftritte und massiver Pressearbeit, trotzdem irgendwie geschafft, auf mich aufmerksam zu machen. Und irgendwer kaufte damals auch meine Platten. Woher ich das weiß? Ganz einfach. Ich ging gelegentlich in die beiden einzigen Geschäfte, in denen damals Schallplatten verkauft wurden (Ja richtig, damals gab es noch echte Vinyl-Singles. Ich bin so alt.), und markierte meine eigenen Singles kaum sichtbar in der rechten oberen Ecke mit dem Fingernagel. Und oh Wunder, bei meinem nächsten Besuch waren die Markierungen weg. Also hatte entweder jemand die Cover gebügelt, oder sie wurden tatsächlich verkauft. Unglaublich, aber wahr.
Ich jedenfalls war ein Star. Zumindest ein Sternchen. Aber wenigstens berühmt. Oder berüchtigt. Verdammt, ich bin hauptberuflicher Leutebespaßer, ihr Säcke. Und genau so benahm ich mich dann auch. Arrogant bis dorthinaus, mich sonnend in meinem nicht vorhandenen Erfolg. Und wenn mich schon in anderen Städten niemand erkannte, in MEINER Stadt wurde ich erkannt. Glaubte ich zumindest. In Wahrheit wurde vermutlich eher hinter vorgehaltener Hand über mein völlig übertriebenes Äußeres und mein dämliches Auftreten gelästert.
Und so ging ich dann auch eines schönen Tages über ein Straßenfest, denn schließlich wollte der König seine Huldigungen entgegennehmen. Auf dem besagten Fest wurden daher extra zu meiner Erbauung ein paar Bühnen errichtet, denen ich jedoch kaum Beachtung schenkte. ICH war ja der Star, wer sollte daran wohl kratzen? Plötzlich jedoch traf es mich wie ein Blitz. Ich hörte – quasi im Vorbeigehen – eine fantastische Stimme, die voller Inbrunst John Denvers „Country roads“ schmetterte, einen Titel, den ich noch in meinen Talentshowzeiten höchstselbst zu Gehör brachte und wohl schon hunderte male eher schlecht als recht von anderen Talenten gehört hatte. Und verdammt, diese Stimme sang den Titel eindeutig besser als ich. Der Sache musste unbedingt auf den Grund gegangen werden.
Also drehte ich wieder um und stellte mich vor die Bühne. Natürlich eher abseits. Und Arrogant. Zu besagte Stimme gehörte ein junger Mann mit leicht südländischem Äußeren, der mich spontan an den jungen Elvis erinnerte. Und verdammt, der Junge war gut. Richtig gut sogar. Höchste Zeit also, mal die Arroganz über Bord zu werfen und den Jungen kennen zu lernen. Nach Beendigung seines Sets ging ich also zu ihm hin, um ihm meine ehrlich gemeinte Bewunderung auszudrücken. Und siehe da, der damals erst sechzehnjährige Marco war richtig nett. Und geistesgegenwärtig brachte dieser mir auch direkt die mir dienstgradmäßig zustehende Demut entgegen. „Ich kenne dich…“ sagte er. Und: „Ich habe deine Platten gekauft!“. Aha, da waren sie also geblieben.
Was danach folgte, war eine tolle gemeinsame musikalische Zeit. Es stellte sich heraus, dass Marco fantastische Songs schrieb. Merkwürdigerweise jedoch gefielen ihm meine Machwerke besonders gut, mir allerdings seine Songs besser als meine eigenen. Ich nahm also fortan einen Titel von Marco in mein Live-Programm auf (noch viele Jahre später sang ich während unzähliger Live-Performances „Diese Liebe tut weh“), und wir begannen, uns gegenseitig musikalisch zu befruchten, wie man so schön sagt. Und oft traf man uns in den Kneipen unserer Heimatstadt, wo wir bewaffnet mit einer Gitarre direkt an der Theke zweistimmig unsere Songs zum Besten gaben. Kurz und gut: Wir waren Helden.
Zahlreiche gemeinsame Songs sind in dieser Zeit entstanden. Und wenn uns gar nichts mehr einfiel, brachen wir einer Flasche Rotwein den Hals und setzten uns an den Küchentisch. Irgendwas ging immer, und immer waren wir ein Team. Irgendwie. Und Marco verfolgte konsequent (Was ein schöner Insider *lach*) sein Ziel, im Musikbusiness Fuß zu fassen. Nach und nach sollte es ihm dies auch gelingen, überdies baute er sich ein eigenes Tonstudio auf und begann damit, auch andere Künstler zu produzieren. Ganz langsam, aber immer merklicher, begannen wir damit, uns voneinander wegzubewegen. Meine sogenannte „Karriere“ war mittlerweile auch Geschichte, seine jedoch kam gerade erst in Fahrt. Und musikalisch hatte ich irgendwann schlicht die Schnauze voll von diesem „Pop(p)schlager“ – Zeugs, welches immer populärer zu werden schien. Und ganz ehrlich – Ich war auch gehörig neidisch, denn nun war er der Jedi und ich war – ähm – sein Kofferträger. Buchstäblich. Marco verschrieb sich mit Herz und Seele diesem neuen Genre – und er sollte hier noch ordentlich von sich reden machen. Und ich machte, genau, nix mehr.
Irgendwann hatten wir uns dann komplett auseinandergelebt. Und auseinandermusiziert. Marco schenkte mir zum Abschied noch meinen ersten und einzigen Top 100 Hit, „Whisky“ schaffte es doch tatsächlich, eine Woche lang den Platz 85 der Media-Control-Charts zu belegen. Aber nicht etwa die von mir geschriebene todtraurige Trinker-Ballade, sondern die ebenfalls von mir zunächst wehement abgelehnte, weil ihrer inhaltlichen Quintessenz beraubte Disko-Pop-Ich-bin-tanzbar-Version von Marco Kloss. Ich will nicht undankbar sein, denn schließlich verdiene ich immer noch ein paar Mark an diesem Titel. Und immerhin, ICH hatte ja AUCH einen Top Hundert Hit. Aber künstlerisch war ich mit dem Ding durch. Und das Dream Team gab es auf einmal einfach nicht mehr.
Was bleibt, sind jedoch die Songs. Und die Erinnerungen an viele sehr intensiv erlebte Momente, im Guten wie im Schlechten. „The song remembers when“, so sang es später im Jahr 1993 die fantatsische Sängerin Trisha Yearwood, treffender hätte ich es auch nicht ausdrücken können. Wen wundert es also, dass mir am vergangenen Wochenende einer dieser Songs wieder unter die Finger gekommen ist? „Ich will dein Freund sein“ muss irgendwann Mitte der 90er entstanden sein und war ursprünglich mal als eine spanisch angehauchte Pseudo-Flamenco Nummer geplant. Musikalisch lebt sie vor allem von einem Tonartwechsel zum Refrain und wieder zurück zur Strophe. Moment mal, Tonartwechsel? Ist das nicht Jazz? Oder besser noch, Swing? Roger Cicero möge es mir verzeihen, aber ich musste es tun.
Und Marco? Ich könnte mir vorstellen, ihm gefällt meine Idee. Auch wenn es Produktions- wie Gesangstechnisch mal wieder eher untere Schublade ist. Und ich bin ziemlich sicher, er kann sich ein Lachen nicht verkneifen, wenn er meinen stümperhaften Versuch hört, einem der Refrains ein wenig 50er Doo Wop Charme zu geben. Und wisst ihr was? Es würde mich freuen. Ganz ehrlich!
Man müsste echt mal wieder ein Bier zusammen …
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Komponist: A. Kohl, M. Kloss
Texter: A. Kohl, M. Kloss
Dass du Liebe suchst hast du irgendwann zu mir gesagt
und mich angeseh’n mit diesem Funkeln im Blick.
Ob du einsam bist, habe ich dich bisher nie gefragt,
denn ich hab‘ gewusst, danach gibt’s kein Zurück.
Nur ein Spiel für Zwei, was ist schon dabei,
doch eins hast du nicht bedacht,
dass dies kleine Spiel eine andere unglücklich macht.
Refrain:
Ich will dein Freund sein, egal was auch kommen mag,
ich will dein Freund sein, für immer und einen Tag.
Ich will dein Freud sein, auch wenn alles zusammenbricht,
ich will dein Freund sein, nur lieben darf ich dich nicht,
lieben darf ich dich nicht.
Diese Liebelei könnte plötzlich wahre Liebe sein
und ein Funke schlägt viel zu oft heiße Glut.
Sagt mein Herz auch Ja, ist in meinem Kopf ein klares Nein,
denn ihr weh zu tun, dazu fehlt mir der Mut.
Ist mir deine Haut auch mehr als nur vertraut,
so kann’s doch nicht weitergeh’n.
Komm‘ mit nicht so nah und versuch‘ mich zu versteh“n.
Refrain:
Ich will dein Freund sein, egal was auch kommen mag,
ich will dein Freund sein, für immer und einen Tag.
Ich will dein Freud sein, auch wenn alles zusammenbricht,
ich will dein Freund sein, nur lieben darf ich dich nicht,
lieben darf ich dich nicht.